Caroline Kryzecki
Detail: Caroline Kryzecki, KSZ 270/190–03, Kugelschreiber auf Papier, 270 x 190 cm, 2018. Foto: Marcus Schneider
Caroline Kryzecki arbeitet mit Kugelschreiber auf Papier und realisiert ortsspezifische Installationen. Für DAS BLATT feiern wir Premiere eines Zeitraffervideos, das uns hinter die Kulissen auf die Entstehung ihres Werkes blicken lässt. Ebenfalls nimmt uns ihr langjähriger Mentor und Galerist Jan-Philipp Sexauer auf eine exklusive Führung durch seine Galerie mit. Die in Wickede/Ruhr geborene und in Berlin lebende Künstlerin ist unser Bindeglied zwischen Nordrhein-Westfalen und der Hauptstadt.
Making-of KSZ 270/190–03 im alten Atelier der Künstlerin, © Peter Lorenz
Caroline Kryzecki, KSZ 270/190–03, Kugelschreiber auf Papier, 270 x 190 cm, 2018. Foto: Marcus Schneider
Caroline Kryzecki, KSZ 270/190–03, Kugelschreiber auf Papier, 270 x 190 cm, 2018, © Marcus Schneider
Caroline Kryzecki, KSZ 50/35–23, Kugelschreiber auf Papier, 50 x 35 cm, 2013
Caroline Kryzecki, KSZ 50/35–23, Kugelschreiber auf Papier, 50 x 35 cm, 2013
Foto im Wohnzimmer der Künstlerin Caroline Kryzecki
Foto im Wohnzimmer der Künstlerin Caroline Kryzecki
Zuhause. Über das Nicht-Korrigieren
Im Jahr 2012 war ich im Rahmen eines Stipendiums des Berliner Senats für sechs Monate in Istanbul. Dort habe ich mit den Kugelschreiber-Zeichnungen begonnen. Auf der blauen Zeichnung, die bei mir zu Hause im Wohnzimmer hängt, sieht man zwei rechteckige Flächen. Jedes dieser Rechtecke wird durch konzentrisch angeordnete Linien gebildet. Es sieht aus, als seien zwei Blätter übereinander gelegt und gegeneinander verdreht. In den sich überschneidenden Flächen entsteht ein Moiré-Muster.
Den Kelim, der rechts neben der Zeichnung hängt, habe ich während dieser Zeit in Kappadokien gekauft. Wenn man ihn länger betrachtet, fallen einem die kleinen Unregelmäßigkeiten und Fehler auf, die durch die Handarbeit des Webens entstanden. Das Weben eines Kelims ist ein linearer Prozess. Es gibt dabei viele Analogien zu meinem Arbeitsprozess. Beides ist sehr zeitintensiv und repetitiv. Beim Weben eines Kelims hat man nie den ganzen Teppich im Blick. Der bereits fertig gewebte Teil geht nach unten hinweg und ist somit für die webende Person nicht mehr sichtbar. Ebenso ist es bei meinem Arbeitstisch, der 3 x 3 m misst. Für meine großformatigen Arbeiten (bis zu 270 x 190 cm) habe ich mir einen Zeichentisch gebaut, bei dem das Papier nach unten hin weggeführt wird. Nur so komme ich an die Stellen in der Mitte des Papiers. Ich sehe also, ebenso wie beim Weben, nie das ganze Blatt. Teilweise arbeite ich „blind“. Um die Arbeit vollständig sehen zu können, steige ich ab und zu auf eine Leiter. So richtig beurteilen kann ich die Arbeit aber erst ganz zum Schluss, wenn ich sie an die Wand gehängt habe. Erst dann kann ich entscheiden, ob sie gelungen ist, oder ob ich noch eine weitere Schicht darüber zeichne.
Der Komponist Morton Feldman schreibt seine graphischen Notationen mit Tinte, um zu verhindern, dass einmal Gefundenes ausgelöscht wird. Auch Feldman hatte eine Vorliebe für Nomaden-Teppiche, für deren Asymmetrien und Unregelmäßigkeiten. Ihn faszinierte das Nicht-Korrigieren eines einmal fertiggestellten Musters. Auch meine Kugelschreiber-Zeichnungen kann ich nicht korrigieren. Eine einmal gezeichnete Linie bleibt sichtbar. Für mich schließt sich so der Kreis zwischen der Jahrtausende alten Kulturtechnik des Webens, der graphischen Notation neuer Musik und meiner Arbeit.
Caroline Kryzecki, KSZ 200/152–28, Kugelschreiber auf Papier, 200 x 152 cm, 2019. Foto: Marcus Schneider
Caroline Kryzecki, KSZ 200/152–28, Kugelschreiber auf Papier, 200 x 152 cm, 2019, © Marcus Schneider
Caroline Kryzecki, KSZ 200/152–28, Kugelschreiber auf Papier, 200 x 152 cm, 2019. Foto: Marcus Schneider
Caroline Kryzecki, KSZ 200/152–28, Kugelschreiber auf Papier, 200 x 152 cm, 2019, © Marcus Schneider
Codes
Die Arbeit KSZ 100/70-40 ist meine am dichtesten gezeichnete Arbeit. Es gibt keine Arbeit, die aus mehr Schichten von Kugelschreiber-Linien besteht als diese. Ich habe so lange gezeichnet, bis fast keine Weißfläche des Papiers mehr zu sehen war.
Meine Arbeiten entstehen aus einem Wechselspiel zwischen System und Zufall, Perfektion und Ungenauigkeiten. Diese Arbeit war ursprünglich anders konzipiert. Beim Zeichnen ist mir dann ein Fehler unterlaufen, mit dem die eingangs geplante Arbeit gescheitert war. Ich kann eine einmal gezeichnete Linie ja nicht mehr rückgängig machen. Arbeiten, bei denen das passiert, zeichne ich dann so lange weiter, bis sie einen Zustand erreichen, mit dem ich einverstanden bin. Hier habe ich mit allen vier Kugelschreiber-Farben gearbeitet, schwarz, rot, blau und grün. Durch die orthogonalen Überkreuzungen der Linien wirkt die Arbeit wie ein dichtes Gewebe.
Um bei meinen immer differenzierter werdenden Zeichnungen den Überblick zu behalten, habe ich in den letzten Jahren ein Notationssystem aus den Parametern entwickelt, die den Arbeiten zugrunde liegen. Dazu gehören das Verhältnis der Strichstärke zum Papierformat, die Anzahl horizontal und/oder vertikal übereinander gezeichneter Linienraster, die Kombination der vier Farben sowie Abstand und Winkel der Linien zueinander. Jede Zeichnung trägt ihren Code auf der Rückseite. Die Codes fungieren als eine Art analoge Programmiersprache für meine Werke und nehmen somit eine zentrale Bedeutung ein.
Bei dieser Arbeit notierte ich den Code so lange, bis ich den Überblick verlor. Der Code für die Arbeit KSZ 100/70-40 lautet:
RA 1
/ H 5 mm / R
/ V 5 mm / R
RA 2
/ 5 mm V+4 (A3) / R
/ 5 mm H-4 (A2) / R
RA 3
/ 5 mm V+1 (A3) / B
/ 5 mm H-1 (A2) / G
RA 4
/ 5 mm V+6 (A3) / G
/ 5 mm H-6 (A2) / R
RA 5
/ 5 mm V+7 (A3) / G
/ 5 mm V+8 (A3) / G
RA 6
/ 5 mm V+? (A4) / B
… ∞
Caroline Kryzecki, KSZ 100/70–40, Kugelschreiber auf Papier, 100 x 70 cm, 2015
Caroline Kryzecki, KSZ 100/70–40, Kugelschreiber auf Papier, 100 x 70 cm, 2015
Detail zu: Caroline Kryzecki, KSZ 100/70–40, Kugelschreiber auf Papier, 100 x 70 cm, 2015
Detail zu: Caroline Kryzecki, KSZ 100/70–40, Kugelschreiber auf Papier, 100 x 70 cm, 2015
Der Musiker und Komponist Aaron Dan transformiert eine Zeichnung von Caroline Kryzecki in ein Musikstück. Das Stück für Flöte und Loop Machine heißt Kryzecki Structures. Aaron Dan hat das Stück in Kryzeckis Ausstellung Come out (to show them) in der Galerie Sexauer uraufgeführt.
Caroline Kryzecki, KSZ 21/15–04, Kugelschreiber auf Papier, 21 x 15 cm, 2016
Caroline Kryzecki, KSZ 21/15–04, Kugelschreiber auf Papier, 21 x 15 cm, 2016
Der Musiker und Komponist Aaron Dan transformiert eine Zeichnung von Caroline Kryzecki in ein Musikstück. Das Stück für Flöte und Loop Machine heißt Kryzecki Structures. Aaron Dan hat das Stück in Kryzeckis Ausstellung Come out (to show them) in der Galerie Sexauer uraufgeführt.
Der Musiker und Komponist Aaron Dan transformiert eine Zeichnung von Caroline Kryzecki in ein Musikstück. Das Stück für Flöte und Loop Machine heißt Kryzecki Structures. Aaron Dan hat das Stück in Kryzeckis Ausstellung Come out (to show them) in der Galerie Sexauer uraufgeführt.
Musik
Der Musiker und Komponist Aaron Dan transformiert eine Zeichnung von Caroline Kryzecki in ein Musikstück. Das Stück für Flöte und Loop Machine heißt Kryzecki Structures. Aaron Dan hat das Stück in Kryzeckis Ausstellung Come out (to show them) in der Galerie Sexauer uraufgeführt.
Scroll up Drag View